Das Kino ist ein paradoxer Ort: Wir werden von Filmen gefesselt, blicken gebannt auf die Leinwand, uns stockt der Atem vor Spannung. Und dennoch ist Kino Bewegung. So steht es schon in seinem Namen.
Wie aber dringt diese Bewegung über die Bilder in unseren Körper ein? – Ausgehend von Brian Selznicks wunderbarem Kinoroman «Die Entdeckung des Hugo Cabret» (Rezension siehe unten) und dessen Verfilmung durch Martin Scorsese entdecken wir «Action» vor und hinter der Kamera und kommen in einer spannenden (Zug)reise durch die Filmgeschichte den Grundlagen des Kinos auf die Spur.
Diese Filmlesung wird in zwei unterschiedlichen Fassungen angeboten, die den jeweiligen Alterstufen angepasst sind.
Fassung A: Für Schülerinnen und Schüler ab 10 Jahren
Fassung B: Für Schülerinnen und Schüler ab 12 Jahren
Brian Selznick
«Die Entdeckung des Hugo Cabret»
Aus dem Amerikanischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
544 Seiten
CBJ 2008
Was im angelsächsischen Raum eine «Graphic Novel» ist, wird bei uns mit «Comic» übersetzt. Doch Brian Selznicks Erzählung «Die Entdeckung des Hugo Cabret» ist kein Comic, sehr wohl hingegen eine Graphic Novel. Virtuos spielt Selznick mit seiner Doppelbegabung als Erzähler und Zeichner. Das Bild ist keine blosse Illustration des Textes – und den Text wiederum liest man nicht, weil man eine Erklärung für die Bilder benötigt. Die grossformatigen Bleistiftzeichnungen sprengen den Rahmen der Konventionen. Sie ermöglichen, was man sonst nur im Kino erlebt: Kamerafahrten, Nahaufnahmen, Überblendungen. Hat sich die Überraschung gelegt, gelingt es Selznick spielend, uns mit einem erstaunlich homogenen Lese-Seh-Fluss gefangen zu nehmen.
In unserem Kopf setzt sich der folgende Film zusammen: In den 1930er Jahren lebt die Waise Hugo versteckt in den verborgenen Gängen eines Pariser Bahnhofs. Sein Onkel hatte hier die Uhren am Laufen gehalten, bis er eines Tages spurlos verschwand. Seither kümmert sich Hugo darum, ohne dass irgendjemand von ihm wüsste – bis er vom alten Spielzeughändler Georges beim Klauen erwischt wird. Doch Hugo braucht das Aufziehspielzeug, um damit einen geheimnisvollen Automaten zu reparieren, den ihm sein Vater hinterlassen hat. Georges wiederum braucht Hugo, damit er sich aus seiner verschütteten Vergangenheit befreien kann. Georges’ Patenkind Isabelle schafft eine Verbindung zwischen Hugo und Georges, zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen einem alten und einem jungen Magier.
Erst nach und nach kommen wir diesem wunderbaren Buch auf die Schliche und erkennen, dass wir von einer zärtlichen Hommage an den Kinomagier Georges Méliès und die Anfänge des Kinos verzaubert wurden.
Thomas Binotto – erschienen in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 7. Mai 2008